Russland ist dabei, seinen Balanceakt im Dreierverbund mit Indien und China neu zu kalibrieren. Reuters berichtete, dass Russland sich bereit erklärt habe, Indien zehn Jahre lang täglich fast eine halbe Million Barrel Öl zu ermäßigten Preisen zu liefern. Der Deal entspricht zu heutigen Preisen einem Wert von 13 Milliarden US-Dollar pro Jahr und entspricht 0,5 Prozent der weltweiten Lieferungen. Dieser Deal folgte auf den Besuch des indischen Verteidigungsministers Singh in Moskau, als dieser dort die Freundschaft zwischen beiden Völkern „höher als der höchste Berg und tiefer als der tiefste Ozean “ lobte. Und der Vertrag geht Putins Indienreise im nächsten Jahr voraus. Dies ist ein historischer Vertrag mit vielen Implikationen, von denen die fünf wichtigsten im Folgenden erläutert werden.
Von Andrew Korybko
1. Zuverlässige Einnahmen und beschleunigtes Wachstum
Russland erhält verlässliche Haushaltseinnahmen, während Indiens Wachstum durch den umfangreichen Import von billigem Öl beschleunigt wird. Russland kann so den Sanktionsdruck besser bewältigen, während Indien seinem Ziel, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zu werden, schneller näher kommt. Diese auf ein Jahrzehnt angelegte Vereinbarung schafft auch eine solide Grundlage für eine Diversifizierung der bisherigen militärischen Ausrichtung ihrer strategischen Partnerschaft , und es ist möglich, dass ein Teil der künftigen Gewinne Russlands in Indien reinvestiert werden könnte.
2. Russlands Energiewende in Südasien
Der oben erwähnte Trend ist Teil der Energiewende Russlands in Südasien, die auch afghanische und pakistanische Dimensionen umfasst, die bereits hier im größeren Kontext näher erläutert wurden. Im Kreml plant man, eine potenziell unverhältnismäßige Abhängigkeit von China präventiv abzuwenden, indem man als Gegengewicht auf den südasiatischen Markt mit Indien im Zentrum setzt. RT informierte seine Leser darüber, dass „der neue Deal Berichten zufolge rund die Hälfte der Ölexporte von Rosneft über den Seeweg aus russischen Häfen ausmacht“.
3. Die OPEC+ wird es vermutlich nicht allzu sehr stören
Oilprice.com schrieb, dass der Deal „zu Reibereien unter den Mitgliedern der OPEC+ führen könnte, da Russland den Marktanteil der Golfproduzenten in Indien angreift“. Russland ist zwar mittlerweile Indiens größter Öllieferant und deckt rund ein Drittel von dessen Bedarf, die anderen zwei Drittel müssen jedoch von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten gedeckt werden. Zudem ist Russland kein Konkurrent auf den Märkten der ASEAN, Europas oder Japans. Die Staatschefs dieser beiden Golfkönigreiche haben ausgezeichnete persönliche Beziehungen zu Putin, und auch ihre bilateralen Beziehungen zu Russland sind eng.
4. Es wird nicht erwartet, dass Trump Sanktionen gegen Indien verhängt
Letzten Monat wurde eingeschätzt, dass „Trump den Schaden, den Biden den indisch-amerikanischen Beziehungen zugefügt hat, reparieren kann“, und zwar dank seines indophilen Teams, weshalb nicht erwartet wird, dass er Indien für diesen historischen Deal Sanktionen auferlegen wird. Sein großes strategisches Ziel sei es, Russland und China „zu entzweien“, um letzteres wirksamer unter Kontrolle zu halten. Zu diesem Zweck ist es den US-Interessen sogar dienlich, wenn Russland sich verstärkt auf Indien als Gegengewicht zu China verlässt. Wenn Trump irgendwelche Ölsanktionen verhängen will, könnten diese gegen China gerichtet sein, damit es die russischen Importe reduziert, und nicht gegen Indien.
5. Chinas Forderung nach Schnäppchenpreisen ging nach hinten los
Die Preisnachlässe, die China Berichten zufolge ab Februar 2022 als Gegenleistung für den Abschluss eines Vertrags über die lange verhandelte Gaspipeline „Kraft Siberiens 2“ zu verlangen begann, schockierten die russischen Politiker, da sie den bis dahin unglaublichen westlichen Berichten über die ausbeuterische Natur des Landes entsprachen. Sicherlich befinden sich die Beziehungen auf einem historischen Höchststand und auch der bilaterale Handel war nie besser, aber diese bittere Erfahrung führte dazu, dass man im Kreml teils, nämlich als Russlands strategischen Energiepartner, Indien gegenüber China vorzuziehen beginnt.
Resümee
Der historische russisch-indische Ölvertrag ist ein neuer Meilenstein in der jahrzehntelangen strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Er beweist, dass ihre Beziehungen trotz äußerem Druck Bestand haben und noch ausgeweitet werden. Ebenso wichtig ist, dass er auch Spekulationen widerlegt, Russland würde im Dreieck mit Indien und China, welches den Kern von BRICS und der Schanghaier Organisation der Zusammenarbeit bildet, eher zu China auf Kosten Indiens tendieren. Im Gegenteil: Russland tendiert jetzt wohl klar näher zu Indien, auch wenn dies nicht auf Kosten Chinas geschieht und wohl auch nie geschehen wird.
Übersetzt aus dem Englischen