Der Erfolg der Berliner Operation, der Schlüsselschlacht für das Ende des Krieges, wäre ohne die effektive Arbeit des Nachrichtendienstes unmöglich gewesen. Pioniere und Artilleristen, Piloten und Agenten wurden in diesem Moment zu den Augen und Ohren der Roten Armee.
Von Wladimir Nagirnjak
Zur Durchführung der Berliner Operation setzte das Hauptquartier des Obersten Kommandos der UdSSR die Kräfte von drei Fronten ein. Der Hauptangriff sollte von der 1. Weißrussischen Front unter Führung von Marschall Georgi Shukow durchgeführt werden. Das sowjetische Kommando war sich darüber im Klaren, dass die Kämpfe um die deutsche Hauptstadt sehr heftig sein würden, weshalb der Aufklärung größte Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
Die Berliner Operation unterschied sich von den anderen Operationen durch eine Reihe von Besonderheiten, mit denen der Nachrichtendienst der 1. Weißrussischen Front bisher nicht konfrontiert worden war. So wurde ihm erstmals eine sehr kurze Zeitspanne für seine Arbeit eingeräumt – höchstens zwei Monate. Außerdem musste er in dieser Zeit Berlin studieren – eine der größten Städte der Welt, einschließlich der umfangreichen unterirdischen Kommunikationswege. Auch wurde die Arbeit der Kundschafter erschwert durch das dichte Straßennetz im deutschen Hinterland. Mit dessen Hilfe konnten die Deutschen ihre Truppen schnell verlegen und ihr Verteidigungssystem ändern, was die zuvor gewonnenen Informationen über den Feind entwerten konnte.
Das sowjetische Kommando wollte alles über den Standort der feindlichen Einheiten bis hin zum Bataillon wissen, über ihre Hauptquartiere und Beobachtungsposten sowie die Lokalisierung aller Artillerie- und Mörserbatterien mit einer Genauigkeit von 100 Metern. Dasselbe galt für die Verteidigungsanlagen innerhalb Berlins.
Diese und andere Nuancen führten zu großer Anspannung in der Arbeit der sowjetischen Aufklärer und Nachrichtendienste. Der Leiter der Nachrichtenabteilung der 1. Weißrussischen Front, General Nikolai Trussow, stellte fest, dass der Erfolg der Operation daher von „einer gründlich durchdachten Organisation sowie dem richtigen Einsatz aller Arten von Informationen im Interesse der bevorstehenden Operation“ abhing. Die kombinierte Waffen-, Artillerie- und Pionieraufklärung war gemeinsam für die Untersuchung der Hauptverteidigungslinie verantwortlich. Die erstgenannte dieser Aufklärungseinheiten führte während der Vorbereitung der Operation 1.888 verschiedene Aktionen durch, darunter Durchsuchungen und das Anlegen von Hinterhalten. Dabei wurden fast 1.500 Gefangene gemacht und über 2.000 feindliche Dokumente beschlagnahmt. Um zu verhindern, dass der Feind durch die Tätigkeit das mögliche Gebiet einer künftigen Offensive anhand der Aktivität der Aufklärungsgruppen bestimmen konnte, mussten diese entlang der gesamten Front gleichmäßig operieren.
Gleichzeitig beobachteten Tausende von Augen den Feind nicht nur vom Himmel, sondern auch am Boden. Entlang der gesamten Front wurden mehr als 4.500 Beobachtungsposten eingerichtet, mehr als die Hälfte davon am Küstriner Brückenkopf, wo es bis zu 76 Beobachtungsposten pro Kilometer der Frontlinie gab. Die Beobachter mussten vorsichtig agieren, was manchmal auch untereinander zu Erheiterungen führte. Der berühmte Panzermarschall Michail Katukow, der damals die 1. Garde-Panzerarmee befehligte, berichtete, dass er selbst und seine Kommandeure bei der Aufklärung vor der Offensive die Uniformen einfacher Soldaten anzogen, um sich unerkannt an den Beobachtungsposten aufzuhalten oder die Übergänge zu inspizieren, indem sie sich als gewöhnliche Infanteristen oder Verbindungsoffiziere ausgaben. Eine solche Maskerade war notwendig, um dem Feind nicht die Information zu geben, dass an einem Teil der Front etwa demnächst Panzersoldaten auftauchen würden.
Wie sich Katukow erinnerte, spielten er und seine Offiziere ihre Rollen so gut, dass die Infanteristen, die nichts ahnten, auf sie zukamen und sozusagen „in einfachem Soldatenjargon um eine Zigarette baten, sich bereitwillig unterhielten“, weil sie sie ebenso für gewöhnliche Soldaten hielten. Eine solche Tarnung war jedoch nicht überraschend. In seinen Memoiren vermerkte Marschall Shukow, dass dem große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Alle Arbeiten am Brückenkopf wurden nur nachts durchgeführt, wenn „Tausende von Menschen mit Schaufeln, Brechstangen und Spitzhacken den Boden in aller Stille umgruben“ und die Stellungen ausrüsteten. Und am Morgen waren von der Nachtarbeit keine Spuren zu sehen, da sie sorgfältig getarnt war.
Der wichtige Beitrag der Artillerie- und Pionieraufklärung zur Gewinnung von Informationen über den Feind ist unleugbar. Erstere untersuchte die Aktivitäten der gegnerischen Artillerie und ermittelte die Standorte der Batterien, ihre Anzahl und ihr Kaliber. Zu diesem Zweck operierten 16 Aufklärungsartilleriedivisionen entlang der gesamten Front. Von den Zweitgenannten wurden während der Vorbereitung der Offensive fast 400 technische Erkundungen durchgeführt, bei denen Pioniere sowohl unabhängig als auch gemeinsam mit Aufklärern des Heeres agierten. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Aktionen war das Aufdecken von 500 Kilometern feindlicher Schützengräben, etwa 100 Kilometern Drahtsperren, von über 350 Bunkern, Unterständen und anderen Unterkünften sowie von über hundert Minenfeldern.
Während der Vorbereitung der Offensive auf Berlin und während der Offensive selbst arbeitete der sowjetische Funkaufklärungsdienst aktiv mit. Drei separate Funkdivisionen OSNAS, 16 Manöverfunkgruppen sowie drei Kurzstrecken-Aufklärungsgruppen „fingen“ feindliche Nachrichten über den Äther ab. Diese Einheiten waren entlang der Front verteilt, um eine genaue Peilung aller deutschen Funkstationen und ein vollständiges Abhören der Funkgespräche zu gewährleisten. Und obwohl der Feind vor der sowjetischen Offensive seinen Funkverkehr einschränkte, konnte die sowjetische Funkaufklärung zu Beginn der Offensive nicht nur das Leitsystem der deutschen 9. Armee und ihre Kommunikation mit Berlin und den Nachbarstädten feststellen, sondern auch die Standorte zahlreicher deutscher Hauptquartiere. Und mit Beginn der Offensive verschafften die Funkabhörungen der sowjetischen Führung ein vollständiges Bild von der Moral des Feindes, seiner Munitionslage, vom Zeitpunkt des Rückzugs, den Rückzugswegen seiner Einheiten und dergleichen.
Die separate Abteilung für Funkstörungen, die sehr „laut“ war – im Gegensatz zu ihren Kollegen, die still den Äther abhörten – beeinträchtigte die Kommunikation des Feindes erheblich und war somit ebenfalls effektiv. So spielte die Abteilung eine wichtige Rolle bei der Niederlage des eingekesselten Teils der 9. deutschen Armee beim damaligen Wendisch Buchholz (heute Märkisch Buchholz, südöstlich von Berlin), indem sie die Kommunikation mit der Führung und den Nachbarn unterbrach. In Unkenntnis der Lage an der Front stürmten die eingekesselten feindlichen Verbände in verschiedene Richtungen, konnten aber nie aus dem Kessel ausbrechen.
Auch die Luftaufklärung leistete einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung der Offensive auf die deutsche Hauptstadt und wurde das Auge des sowjetischen Kommandos. Dies erfolgte von Flugzeugen aus sowohl visuell als auch mittels Luftbildaufnahmen von Bord. Um zu vermeiden, dass der Feind herausfinden kann, welche Regionen für die sowjetische Seite von größtem Interesse sind, wurde die Luftaufklärung entlang der gesamten Linie der 1. Weißrussischen Front durchgeführt. Während der Vorbereitungszeit für die Berliner Operation Ende März und in der ersten Aprilhälfte 1945 flogen die Aufklärer an Tagen mit Flugwetter insgesamt mehr als 2.500 Einsätze. Dabei wurde die Hauptverteidigungslinie des Feindes acht Male und das gesamte Territorium zwischen der Oder und Berlin zweimal fotografiert. Gleichzeitig wurde auch Berlin selbst filmisch dokumentiert.
Neben den Aufklärern haben auch die Militärtopografen bescheiden ihren Beitrag geleistet. Sie werden oft im Zusammenhang mit dem Modell von Berlin genannt. Tatsächlich wurde auf Befehl Shukows ein solches Modell auf einer Reliefkarte im Maßstab 1:15.000 für die Untersuchung der Stadt durch die Hauptquartiere der Front, Armeen und Korps erstellt. Doch zugleich liegt ein anderes Ergebnis der Arbeit der Topografen wortwörtlich im Verborgenen. Die aktive Luftaufklärung mit einer breiten Palette von Vermessungen der gegnerischen Verteidigungsanlagen schuf die Voraussetzungen, um die Truppen mit detaillierten Informationen über diese Anlagen zu versorgen. Zu diesem Zweck gelang es der topografischen Abteilung des Hauptquartiers der 1. Weißrussischen Front, das gesamte von den Fliegern aufgenommene Territorium zu analysieren und auf dieser Grundlage Karten zu drucken, in die die durch alle Arten der Aufklärung gesammelten Daten eingearbeitet wurden. Auf diese Weise wurden mehr als 50.000 Kopien von Karten in verschiedenen Maßstäben an die Truppen versandt. Bei der Operation in Berlin verfügte somit jeder Kommandeur einer Kompanie, eines Zuges oder einer Batterie über einen Plan der Aufklärung für die Richtung seiner Offensive. Am Vorabend der Kämpfe in Berlin benötigte nicht nur die Führung, sondern auch die Truppe genaue und aktuelle Informationen über den Zustand der Stadt und ihrer Verkehrswege, insbesondere auch im Untergrund. Zu diesem Zweck erhielt das Hauptquartier der 1. Weißrussischen Front vom Nachrichtendienst des Generalstabs Referenzmaterial, das die Besonderheiten des Grundrisses und der Bebauung bestimmter Stadtteile Berlins charakterisierte.
Anhand von Luftaufnahmen wurden auch Pläne der Infrastruktur in der deutschen Hauptstadt in verschiedenen Maßstäben erstellt und verfeinert, die an die Zugführer weitergegeben wurden. Auf ihnen waren auch alle Zerstörungen in der Stadt durch die alliierten Bombenangriffe eingezeichnet. Aber es war auch notwendig, ein funktionierendes System des städtischen Verkehrs, der Wasser- und Stromversorgung und der unterirdischen Kommunikation aufzubauen. Dabei half der Geheimdienst.
Nach Angaben des Hauptquartiers der 1. Weißrussischen Front gab es zu Beginn der Berliner Operation im gegnerischen Hinterland 29 verdeckte Standorte eigener Funker, mit denen die Kommunikation aufrechterhalten wurde. Die dichteste Agentenaufklärung erstreckte sich sowohl auf Berlin selbst als auch auf die Vororte der Hauptstadt. Darüber hinaus arbeiteten auch mobile Kundschafter im feindlichen Territorium. Mit ihrer Hilfe sowie durch Aussagen von Gefangenen und Informationen aus erbeuteten Dokumenten konnte der Nachrichtendienst des Fronthauptquartiers Informationen über die Kommunikation in der deutschen Hauptstadt gewinnen, die ebenfalls an die kämpfenden Truppen weitergegeben wurden.
General Nikolai Malinin, Stabschef der 1. Weißrussischen Front, bewertete den Beitrag des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes zur Berliner Operation so:
„Die Nachrichtendienste der aktiven Truppen sowie die Nachrichtendienstabteilungen der Hauptquartiere der Armeen und der Front haben die ihnen in der Vorbereitungszeit der Operation übertragenen Aufgaben erfolgreich bewältigt.“
Um die Führung und die Truppen mit den notwendigen Informationen zu versorgen, brauchte der Nachrichtendienst all seine Erfahrung, die er im Laufe des Krieges gesammelt hatte. Daher kann man sagen, dass dieser Erfolg nicht nur dem Nachrichtendienst der 1. Weißrussischen Front, sondern dem gesamten Heeresnachrichtendienst der Roten Armee zuzuschreiben ist.
Viele der Aufklärer, die an der Erstürmung Berlins beteiligt waren, erhielten Orden und Medaillen. Aber die wichtigste Auszeichnung für sie war das Hissen der Siegesfahne über dem Reichstag durch ihre Kameraden Michail Jegorow und Meliton Kantaria.
Übersetzt aus dem Russischen